Kreativität als komplexer Problemlösungsablauf

Ein Mann besucht den Maler Pablo Picasso und sagt: „Hallo Picasso, zeichne mir einen richtig kreativen Elefanten. Ich werde dich sehr gut dafür bezahlen.“ Picasso beginnt zu zeichnen und malt in einer einzigen flüssigen Handbewegung einen beeindruckenden Elefanten. Er sagt zu dem Mann: „Hier, dein Elefant ist fertig. Das Bild kostet dich 1.500 Dollar.“ Der Mann ist empört und erwidert: „Waaas, du warst doch innerhalb von wenigen Sekunden fertig!“ „Pass auf“, antwortet der Künstler: „du bezahlst in erster Linie nicht für das, was du hier siehst, sondern für das, was du nicht wahrgenommen hast, meine Erfahrung und mein kreatives Gespür, die es mir erst erlauben, einen Elefanten genau so zu zeichnen.“

Kreativität als komplexer Problemlösungsablauf

Manchmal haben Gestalter/Designer ein Problem damit, angemessene Honorare für ihre kreative Leistung zu erhalten. „Wie bitte, Sie verlangen für den neuen Firmenslogan vierhundert Euro? „Das sind doch nur fünf bis sechs Wörter!“ An diesem Punkt des Gesprächs werden alle weiteren Verhandlungen sehr mühsam. Vor allem reicht es nicht aus, darauf hinzuweisen, dass größere Firmen locker fünfstellige Beträge für einen neuen Slogan oder ein ausdrucksstarkes Logo bezahlen. Sind bekannte Werbeagenturen im Spiel, wird es von Kunden noch verstanden. Doch die „Kleinen“, voran die Einzelunternehmer und Freiberufler, haben Probleme und reden sich den Mund über ihre Kosten schnell fusselig. Nicht wenige Grafiker, Fotografen, Texter und andere Gestalter können ein Lied von solchen Situationen singen.

Nun, es mag daran liegen, dass kreative Abläufe schwer zu messen sind. Genauer gesagt, dass sich die Entwicklung eines Geistesblitzes (das Nike Logo entstand in wenigen Minuten) nicht per Stundensatz berechnen lässt und davon abgesehen nur ein Teil des gesamten Arbeitsvorganges ist. Die Ideen-Ausarbeitung ist meistens nur noch Handwerkszeug, doch erst das Zusammenwirken aller Faktoren macht die Kreativleistung als Ganzes aus. Genau davon handelt dieser Artikel.

Die Phasen der kreativen Arbeitsfolge

Ideen entstehen im Gehirn und sind das Ergebnis der wohl kompliziertesten Struktur im Universum, des menschlichen Gehirns. Das Gehirn ist noch lange nicht komplett erforscht. Deshalb ist es nicht weiter erstaunlich, dass man noch immer nicht genau weiß, wie Kreativität eigentlich entsteht und welche Gehirnregionen dabei eine Rolle spielen.

Die Kreativitätsforschung ist ein noch neuer Fachbereich, der erst 1950 von dem amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford durch eine Rede über „divergentes Denken“ angestoßen wurde. Laut Guilford spielt sich der schöpferische Augenblick sozusagen in einer Blackbox ab: Reize von außen lösen eine Folge innerer Vorgänge aus, die am Ende „etwas vorher nicht da gewesenes, originelles und beständig Neues kreieren“, wie es in Lexika wie Wikipedia heißt. Der kognitive Vorgang dahinter ist jedoch nach wie vor nicht klar zu erkennen. Wenigstens herrscht Übereinstimmung darüber, dass Kreativität ein umfangreicher Prozess ist, der sich nach dem heutigen Verständnis in folgende vier Phasen unterteilen lässt:

Orientierung

Wird eine Problemstellung erkannt, intensiv analysiert, verstanden und einsortiert, beginnt der eigentliche kreative Ablauf. Zuerst wird überprüft, ob die Aufgabe auf Grundlage vorhandenen Wissens zu lösen ist. Greifen bewährte Lösungsansätze allerdings nicht, werden zusätzliche Geschütze aufgefahren.

Generierung

Tiefer gelagerte Ressourcen werden angezapft, um erste Ideen entstehen zu lassen. Die Problemstellung wird an das Unterbewusstsein weitergeleitet, damit sich dieses ab jetzt damit beschäftigt. Während du also im Vordergrund anderen Aufgaben nachgehst, bilden sich in deinem Gehirn neue Verknüpfungen. In dieser spannenden Phase des kreativen Prozesses erscheinen schließlich mehrere Lösungen. Viele Menschen kennen dieses Phänomen auch aus den REM Phasen beim Schlafen.

Optimierung

Es gilt nun, die Lösungsansätze in Hinblick auf die Durchführbarkeit aktiv zu überprüfen, zu bewerten, über die besten weiterzudenken und sie zu verfeinern. Dabei konkurrieren Ideen miteinander, bis sich schlussendlich entscheidet, welcher Gedanke weiter ausgearbeitet wird.

Implementierung

Nachdem die favorisierte Lösung ein weiteres Mal mit der eigentlichen Aufgabenstellung abgeglichen wurde und letzte Veränderungen durchgeführt sind, geht es an die Erfüllung der Idee. Der Kreative nutzt in dieser Phase sein handwerkliches Geschick und Erfahrungswerte, um seinen „Geistesblitz“ in ein praxistaugliches Ergebnis zu überführen.

Kein Erfolg im Handumdrehen

Diese Darstellung soll dir vor allem zwei Fakten verdeutlichen: dass der kreative Prozess ein breit gefächertes Vorhaben ist und dass sich nie genau voraussagen lässt, wann den Gestalter nun der Geistesblitz trifft. Kreativitätstechniken können hilfreich sein und die Ideenfindung beschleunigen, doch auch das ist keine Garantie für einen augenblicklichen Erfolg. Fassen wir zusammen, Kreativität lässt sich nicht erzwingen und funktioniert nicht auf Knopfdruck. Vielmehr vergeht immer einige Zeit, bis es einmal im Gehirn Klick macht. Und auch dafür gibt es keine Garantie, da für manche Aufgabenstellungen einfach keine Lösungen zu finden sind – jedenfalls keine anwendbaren.

Die meisten Arbeiten benötigen allerdings auch gar keinen kreativen Anstoß, um zu guten Ergebnissen zu führen. Durch Routinen und einen Hauch Originalität lässt sich vieles erledigen, wobei die Grenzen zwischen Kreativität und Originalität natürlich fließend sind. Doch bei schnell zu erstellenden Kreisdiagrammen oder Fotos von der Weihnachtsfeier genügt durchaus der Autopilot. Wird dabei ein bewährter Trick angewendet, ist das noch lange nicht kreativ im bisher verstandenen Sinn. Soviel zur Entzauberung der Kreativitätsprozesse.

Echte Kreativität ist da schon etwas ganz anderes. Sie wird beispielsweise dann gebraucht, wenn für ein Unternehmen ein neues Corporate Design inklusive Logo entwickelt werden muss. Auch die Planung eines großen Events, die komplexe CMS Entwicklung oder der gelungene Slogan sind rein kreative Bereiche, da sich Gestalter hier zur Befriedigung der Kundenanforderungen ständig auf komplett neue Situationen einstellen müssen.

Wertvolle kreative Leistung

Immer dann, wenn etwas vollkommen Neues erschaffen wird, müssen kreative Abläufe initiiert werden. Bis ein benutzbares Ergebnis steht, ist mal mehr, mal weniger Zeit vonnöten. Unternehmen und Auftraggeber müssen mit dieser Unvorhersehbarkeit zurechtkommen.
Ohne angemessenes Budget und die Bereitwilligkeit, auch zu zahlen, was man nicht sehen kann, weil es sich im Gehirn des Kreativen abspielt, kann das alles nichts werden. Die kreative Leistung hat für die Firma einen Wert, der sich weder per Arbeitszeit abbilden noch auf die „Materialität des Ergebnisses“ reduzieren lässt. Auch wenn der Slogan oder das Unternehmenslogo schlussendlich nur aus wenigen Worten oder Strichen besteht.

Abschließend kommt es immer nur auf die nachhaltige Wirkung auf den Unternehmenserfolg an – daher haben Kreative jedes Recht der Welt, selbstbewusst aufzutreten und sich gebührend bezahlen zu lassen. Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zeigen den Unterschied, und das Vertrauen in ihre Kenntnisse sollte die gemeinsame geschäftliche Grundlage sein. Sind Unternehmer jedoch nicht gewillt, den gesamten Kreativitätsablauf zu bezahlen, können sie ja weiter nach jemandem suchen, der die Aufgaben günstiger durchführt – oder sie versuchen es komplett selbst und sehen dann schnell, wie viel Arbeit in den unscheinbarsten Aufgaben steckt.

Bei dir?

Und wie ist das bei dir? Hattest du selbst schon Schwierigkeiten damit, bei deinen Kunden einen anständigen Preis für deine kreative Arbeit durchzusetzen? Welche positiven oder negativen Erfahrungen hast du gemacht, und welche nützlichen Tipps kannst du mit anderen teilen?

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Hi, ich bin Mika - WordPress-Enthusiast und Webworker aus Leidenschaft. Ich bin Inhaber der Webdesign Agentur / WordPress Agentur Wolkenhart® und freier Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

2 thoughts on “Kreativität als komplexer Problemlösungsablauf

  1. Markus aus Berlin

    Sehr interessante Artickel. Ich kenne sehr viele tallentierten kreativen Menschen, aber sie wissen nichr, wie man richtig Kretivität bei der Arbeit benutzt. Mika, du hast es gut beschrieben.
    Danke und mehr so wertvolle Artickel!
    Grüße aus Berlin!
    Markus

    1. Mika Gustavson Post author

      Hi Markus,

      danke für die netten Worte und viele Grüße nach Berlin.

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